Presseartikel

Leckerli aus dem Schlachtabfall ?!

DSC_1868

Sabine Bernsee fordert für die Tiernahrung eine Rückbesinnung auf das, was Hund und Katze brauchen.

 

Immer mehr Hunde leiden unter einer „Fleischallergie“ – diese Nachricht macht gerade die mediale Runde. Hundetrainerin Sabine Bernsee hält das für einen grundsätzlichen Irrtum.

von Frank Rademacher, Cölbe.

veröffentlicht in der Oberhessischen Presse

 

Allergien, Krebs, Diabetes, Probleme mit den Zähnen – für Sabine Bernsee     sind die Probleme nicht neu. Die 55-jährige Hundetrainerin und Ernährungsberaterin beschäftigt sich seit rund 15 Jahren mit dem Thema Ernährung für Vierbeiner. Wo sind die Ursachen der Wohlstandserkrankungen, die nicht nur Menschen Probleme bereiten, sondern auch den Haustieren, ist die Frage.

„Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Ernährung für Mensch und Tier geändert, hin zu Fastfood und Fertignahrung. Jetzt fahren wir die Ernte dieses riesigen Feldversuchs ein“, erklärt die Hundetrainerin, die auch Blindenführhunde ausbildet.

Ist es nicht eher erstaunlich, wie lange vor allem Hausraubtiere = die Hunde und Katzen, es schon mit dem üblichen Fastfood ausgehalten haben, mag man sich fragen. Zoologische Gärten hingegen füttern weiterhin an ihre Raubtiere abwechslungsreiches Rohfleisch und Gemüse/Obst.

„Warum sehe ich jetzt immer öfter Tiere, die Probleme mit der Haut haben oder im Magen und Darm ?“,fragt Bernsee.

 

Die betroffenen Haustiere werden von den Veterinären in der Regel mit dem versorgt, was die Tiernahrungsindustrie ihnen dann an Lösungen zur Verfügung stellt. In dem rasant zunehmenden Markt für Spezialfutter sieht Bernsee allerdings „eine komplette Sackgasse“.

 

„Wenn der Normalbürger wüsste, was im Hunde- und Katzenfutter drin sein darf, würde ihn der Ekel befallen!“ sagt Autor Hans-Ulrich Grimm.

Trübt sich da nicht das schöne Bild, das in der Werbung zu erzeugen versucht wird?

Laut Gesetzgeber darf alles aus der Schlachtung, was nicht anderweitig verwertet werden könne, im Futter landen, mit anderen Worten die Schlachtabfälle. Auf der Deklaration heißen die dann tierische Nebenerzeugnisse: dazu zählen samt Inhalt Blase, Darm, Drüsengewebe, Schnäbel, Krallen, Fell und Federn etc. Dazu kommen pflanzliche Nebenstoffe wie z.B. Mais, Soja, Getreide, deren Überreste etc.

Damit seien aber beispielsweise nicht nur die Körner, sondern die Kolben gemeint, erklärt Bernsee und erklärt auch gleich was sich hinter dem Begriff Lignozellulose verbirgt: Sägemehl, was laut Verordnung durchaus im Tierfutter seinen Platz haben darf.

„Vier Prozent Inhalt in der Dose/im Futtersack eines speziellen Tieres reichen um es nun als reines Rinderprodukt deklarieren zu dürfen“, macht Bernsee auf eine weitere Bestimmung aufmerksam, die zur legalen Täuschung der Kunden beiträgt.

 

Im Gegenzug muss, anders als bei Nahrungsmitteln für den Menschen, auf möglicherweise problematische Inhaltsstoffe, die etwa Allergien auslösen können, nicht hingewiesen werden solange sie gesetzlich erlaubte Zusatzstoffe sind.

Getäuscht werden im Übrigen auch die Vierbeiner. Die sind von Natur aus mit sehr viel empfindlicheren Geschmackssensoren ausgestattet als Menschen und würden vieles, von dem, was ihnen vorgesetzt wird, nicht anrühren. Dank der Zugabe von künstlichen Aromen fressen sie es trotzdem und der so genannte Geschmacksverstärker Glutamat sorgt dafür, dass die natürliche Fressbremse der Tiere außer Kraft gesetzt wird. Das steigert den Absatz von industrieller Tiernahrung ebenso wie es die Mastzeiten von Schweinen und Puten verkürzt.

Dafür ist das Futter voller Vitamine, allerdings meist künstliche z.B. der Sorten A, D und E, die auch deshalb dem Futter zugesetzt werden, um es möglichst lange haltbar zu machen. Ansonsten wäre vor allem das Trockenfutter schnell mit Schimmel befallen. Was die Vitamin-Überdosis sonst noch bewirkt bleibt offen.

Trockensubstanzen seien ernährungsphysiologisch für den Hund nicht komplett aufschliessbar, erklärt Bernsee. „Sie enthalten wenig Feuchtigkeit, werden z.T. halbverdaut vom Magen in den Darm verschoben und so auch hinten wieder hinaus“, erklärt sie, woher die großen Haufen kommen, die Hunde häufig hinterließen. Es gehöre denn auch zu den ersten Überraschungen nach einer Umstellung auf eine natürliche Ernährung der Vierbeiner, dass die viel weniger Kot produzierten – „weil sie das Futter besser verwerten“, erklärt die Hundetrainerin.

Ob Allergien etc. an denen die modernen Hunde leiden nicht vielleicht durch die Zusatzstoffe entstehen und nicht durch Fleisch? In den sozialistischen Ostblockländern wurden die Hausraubtiere hauptsächlich mit Fleischabfällen, Innereien wie Pansen und Essensresten der Menschen ernährt. Warum tauchen die typischen West-Krankheiten dort erst vermehrt seit 25 Jahren auf?

DSC_1202

Sabine Bernsee wünscht sich eine Rückbesinnung auf das, was Hund und Katze tatsächlich benötigen.

BARFen, die „Biologisch Artgerechte Rohfütterung“, könnte die Probleme lösen. Weil es inzwischen aber kaum noch kleine Schlachtereien gebe, stoße dies auf praktische Schwierigkeiten, weil die Zutaten nur noch schwer zu bekommen seien, oder nur wenige Sorten gefroren. Für den Laien sei es zudem schwer zu erkennen, welche Zusammensetzung das Futter für seinen Hund tatsächlich haben müsse.

„Das Raubtier, wenn es ein Tier reißt, frisst zunächst bestimmte Organe, dann erst das Muskelfleisch und Haut, Sehnen und Knochen kommen zum Schluss“, erklärt Sabine Bernsee. Das Fleisch werde dabei selten roh verzehrt, sondern erst einmal vergraben und später in angegammeltem Zustand verspeist. Gerade kleinere Raubtiere, zu denen auch die Hunde zählten, seien in der Regel Aasfresser. Auf der Speisekarte stünden ansonsten Kleintiere wie Mäuse, die komplett gefressen werden.

Was also tun? Es gebe wenige kleine Firmen, die bei der Tiernahrung auf jegliche Zusätze verzichteten und ihre Produkte über den Direktvertrieb verkauften. Das habe keinen hohen Preis: Hunde-und Katzenbesitzer müssten im Zweifel überlegen, was ihnen wichtiger sei. Wer drei Euro pro Tag investieren könne, der könne sich auch einen großen Hund leisten. Mit 50 Cent lasse sich schon ein kleiner Hund ernähren. Das Futter könne bedenkenlos mit Kartoffeln oder Reis gestreckt werden. Auch eine Mischung aus Kartoffeln, Quark, Öl und Kräutern sei für einen Tag eine verträgliche und kostengünstige Alternative.

 

Glaubt man Dr. med.vet. Vera Biber Autorin des Buches „Futterprobleme bei Hunden“ und „Hilfe mein Hund ist unerziehbar“, habe das Futter erheblichen Einfluss auch auf das Verhalten des Tieres und es spielten die Kosten für Tierfutter für viele Haustierbesitzer ohnehin nur eine untergeordnete Rolle.

Mit bizarren Folgen: So bietet der Discounter Aldi etwa frisches Schweinefilet für 9,99 Euro das Kilogramm an.

Schweineohren, die als Schlachtabfälle dem Tierfutter vorbehalten sind, kosten dagegen 14,98 Euro pro Kilo.

Wer die Ernährung für seinen Hund oder die Katze umstellen wolle, solle dies möglichst mit einem Ernährungsberater tun. Die Umstellung dauere etwa drei bis vier Wochen, in dieser Zeit ist ein Berater hilfreich, erklärt Bernsee.

„Eine gute Ernährung verringert häufig auch andere Probleme “, versichert sie.

 

Ob ein Tier gesund ernährt werde, lasse sich sogar ertasten und sehen.

„Hunde und Katzen sind an sich sehnige Tiere, nicht weich und schwabbelig“, erklärt Sabine Bernsee, derweil ihre drei Hunde jeder an einem Knochen nagen.

 

Wer eine entsprechende Beratung möchte, bekommt auf den Internetseiten www.hundeschule-marburg.de und www.4pfoten-welt.de über das Kontaktformular die Vermittlung von kostenfreien Ansprechpartnern.